Neuronale Strukturen
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Unser Gehirn besteht - anders als etwa Computer - aus einer großen Anzahl gleichartiger "Bausteine", den Zellen. Dabei ist bereits jede einzelne Zelle weit komplexer, als die "simplen" Transistorschaltungen eines Mikroprozessors. Alle Zellen arbeiten nach ähnlichen Prinzipien auf Basis komplexer Proteinmaschinen und sind ähnlich aufgebaut. Darin unterscheidet sich das Gehirn deutlich vom Computer, der aus verschieden strukturierten Hardware-Elementen mit unterschiedlichen Funktionen aufgebaut ist.
Anders bei den Nervenzellen biologischer Gehirne: deren Funktionen ergeben sich aus der Struktur immer gleicher Zellen mit vielfältigen Optionen zu autonomen Verhalten und aus der Art ihrer Verknüpfung. Und auch diese Verknüpfungen sind nicht beliebig, sondern lassen sich möglicherweise auf ähnliche Funktionsprinzipien zurückführen.
Wollte man ein ähnliches Konzept mit technischen Mitteln realisieren, müsste man unzählige gleichartige autonom aggierende Prozessoren mit einander verknüpfen. Natürlich müsste dies ohne ein von außen aufgespieltes Programm geschehen. Das Programm wäre Bestandteil der Prozessoren und würde die Verknüpfungen lediglich anhand der von außen einwirkenden Informationen der Umwelt generieren. Für eine solche "technische" Lösung gibt es bis heute zwar viele "visionäre" Fantasien - ein konkreter Ansatz für die reale Umsetzung existiert aber nicht (Sollt jemand andere Informationen haben: her damit!).
Die komplexe Struktur des Gehirns hat sich - einen evolutionären Prozess vorausgesetzt -durch schrittweise Modifikation und Differenzierung entwickelt. Jede Entwicklungsstufe des Gehirns muss sich deshalb aus einem Vorgänger durch geringfügige Variation entwickelt haben.
Um die hinter den Strukturen des Gehirns liegenden Prinzipien zu verstehen, ist es daher unbedingt notwendig, die evolutionäre Entwicklung zu kennen. Ausgehend von den Eigenschaften der einzelnen Nervenzellen und Neuronen muss die stammesgeschichtliche Bildung komplexer Gehirne nachvollzogen werden. Nur so lässt sich vielleicht eines Tages das Gehirn als Ganzes besser verstehen. Dabei können einige grundsätzliche Annahmen getroffen werden:
- Neuronale Netze müssen sich zunächst aus einzelnen unspezifischen Zellen entwickelt haben (Beispiel Qualle: lichtempfindliche Zellen wirken auf Zellen, die pulsierende Bewegungen erzeugen)
- Alle Funktionen müssen ohne strukturierenden Eingriff von außen durch bloße Kombination von Zellen und ihren Verknüpfungen umsetzbar sein
- Der hierarchische Aufbau muss sich aus der stammesgeschichtlichen Entwicklung und den begleitenden genetischen Veränderungen herleiten lassen (siehe Abbildung zur phasenweisen Entwicklung solcher Strukturen)
- Phase 1: Spezialisierung einzelner Zellen zur Wahrnehmung von Zuständen der Umgebung (Sinneszellen), zur Veränderung des Zustandes des Organismus (Aktoren) und zur Verknüpfung von Sinneszellen und Aktoren (Nervenzellen)
- Phase 2: Spezialisierung von verbindenden Nervenzellen, um durch Analyse und Transformation der eingehenden Wahrnehmungsmuster der Sinneszellen ein passenden Verhaltensmuster für die Aktoren zu bilden (komplexe Reflexe)
- zunehmende Komplexität durch zusätzliche Sinneszellen (Licht, Schwingungen, chemische Analyse usw.) und komplexeren physiologischen Aufbau (Differenzierung der Organe, zusätzliche Gliedmaßen usw.)
- Phase 3: Bildung von Teilnetzen in denen Standardmuster als festvernetzte Vergleichsmuster abgebildet werden, mit denen sich Wahrnehmungsmuster leichter analysieren lassen (Instinkt)
- Phase 4: Ausbildung der Fähigkeit, bleibende Vergleichsmuster aus Wahrnehmungsmustern zu bilden (Gedächnis)
- Phase 5:Fähigkeit selbst Wahrnehmungsmuster aus den vorhandenen Vergleichsmustern zu bilden (Denken, Phantasie)
Diese Überlegungen zum "historischen Aufbau" unseres Gehirns weisen in eine andere Richtung als der verbreitete "funktionsorientierte", kombinatorische Blickwinkel. Letzterer nimmt das Gehirn - ähnlich einem technischen Gegenstand - als gegeben hin und versucht seinen Aufbau anhand der Funktionen zu verstehen. Dabei wird es in Funktionseinheiten zerlegt. Man sucht nach "Speicher", "Steuereinheit", Funktionshierachien und Analogien aus der Welt des Computers und der Technik. Diese Art der Betrachtung ignoriert die organischen Eigenschaften des Gehirns und seine evolutionäre Entwicklung vollkommen. Zwar lassen sich einzelne Eigenschaften des Gehirns mit solchen kombinatorischen Methoden beschreiben und einige Effekte können sogar mathematisch recht genau modelliert werden. Diese Teilerklärungen sind aber noch weit von einer vollständigen Theorie des Gehirns entfernt. Hier deuten sich ähnliche Schwierigkeiten an, wie sie die Physik schon seit langem plagen: während Erklärungen einzelner Phänomene anhand von experimentellen Untersuchungen und mathematisch, naturwissenschaftlichen Modellen recht schnell bei der Hand sind, will es mit einer geschlossenen Theorie, die alle diese Phänomene erfasst, einfach nicht klappen.
Diese Gedanken sind nicht neu. Verwiesen sei z.B. auf Gerald M. Edelmann, Das Licht des Geistes.
siehe auch http://www.neuronalesnetz.de/