Energie und Information
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Zwischen natürlichen und technischen Prozessen gibt es bedeutende Unterschiede. Es ist jedoch nicht einfach, diese Unterschiede auf den Punkt zu bringen. Eine mögliche Hilfe bieten die Begriffe "Energie" und "Information". Es wird häufig so getan, als lägen Technik und Natur gleiche physikalische Konzepte zugrunde. Tatsächlich unterscheiden sie sich aber erheblich in Bezug auf Energie- und Informationsdichte. Technische Systeme ermöglichen eine enorme Konzentration von Energie und Masse. Gleichzeitig ist die Fähigkeit dieser Systeme, unbekannte Informationen über ihre Umgebung zu sammeln und intelligent zu nutzen äußerst beschränkt. Natürliche Systeme sind in ihrer Energiedichte und Masse begrenzt. Sie sind jedoch in der Lage, unzählige Informationen über ihre Umgebung zu sammeln und sinnvoll zu vernetzen, um daraus intelligente Verhaltensstrategien abzuleiten. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Frage, warum wir in der Technik nicht ähnliche Kriterien anwenden, wie sie für die Natur seit Milliarden Jahren erfolgreich gültig sind.
Energie
1 Liter Öl enthält die Arbeitsleistung, die ein Mann in 13 Tagen leisten kann, wenn er jeden Tag 10 h arbeitet (ca. 13 kWh). Diese Energie verbraucht ein PKW, wenn er 1 Person 14 km weit transportiert. Unsere moderne Industriegesellschaft hat sich durch die Verfügbarkeit von scheinbar unerschöpflichen Energiequellen dazu verleiten lassen, ihre gesamte Existenz von dieser Energie abhängig zu machen. Der Glaube, mit genügend Energie jedes Problem lösen zu können - die Philosophie des "man muss nur wollen!!!" - ist tief in der westlichen Industriegesellschaft verwurzelt und hat in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fast religiöse Züge angenommen.
Der Status eines Menschen in diesen Ländern hängt fast ausschließlich von Quantitäten ab: von viel Geld, viel Wissen, viel Haben. Überall wird "Sein" durch "Haben" simuliert: körperliche Stärke durch starke Motoren, Weltgewandheit durch Weltreisen, Intelligenz durch Datenbanken und Schönheit durch Silikon. Aber all dieses "Haben" beruht auf der Verschiebung und Nutzung enormer Energiemengen: ein Mensch in Deutschland (einschl. Industrie) verbraucht im Durchschnitt permanent 5500 W an Primärenergie. Darin ist die Sonnenenergie für unsere Nahrungsmittel noch nicht enthalten. Ohne diese Energie sind die modernen Menschen Habenichtse.
Information
Auch das Leben auf diesem Planeten hat sich entlang von Energiegefällen entwickelt: Wärme aus dem Erdinneren und die beständige Versorgung mit Licht durch die Sonne sind die Grundlage allen Lebens auf diesem Planeten. Doch diese Energieströme sind limitiert und nicht sehr intensiv. Das Leben mußte lernen, diese geringe Energiedichte zu nutzen. Effizienz ist daher eine der wesentlichen Eigenschaften biologischer Systeme: nichts verschwenden, alles so gut wie möglich nutzen. Damit dies möglich ist, nutzen natürliche Systeme Informationen über ihre Umwelt - und je besser ihnen das gelingt, umso eher haben sie eine Chance zu überleben. Anders als ein rein physikalisches Objekt - ein Stein, ein Tropfen oder ein Planet - können lebende Systeme ihre Umgebung differenziert wahrnehmen und ihre Reaktionen darauf abstimmen. Winzige Mikroben verfügen bereits über Möglichkeiten, sich in ihrer Umgebung differenziert zu bewegen. Dies erlaubt ihnen, Kräfte und Energieflüsse optimal zu nutzen - wie ein Judo-Meister, der die Energie seines Gegners nutzt, um ihn zu Fall zu bringen. Dies erfordert keine Energie, Kraft oder Masse - es erfordert Information und die Intelligenz, diese Information zu nutzen. Jedes biologische System - von der kleinsten Bakterie bis zum Blauwal - enthält eine Struktur, die auf Veränderungen der Umgebung differenziert reagieren kann. Diese Struktur ist Teil des Systems. In ihr ist die Geschichte des Lebewesens, seine evolutionäre Entwicklung enthalten. Und es ist diese intelligente Struktur, die Informationen aus der Umgebung nutzt, um zu überleben. Die komplexeste Struktur zur Wahrnehmung von Informationen aus der Umgebung ist das menschliche Gehirn. Seine Vielseitigkeit und seine Fähigkeit, Abläufe in der Wirklichkeit zu interpretieren und vorherzusagen ist einzigartig - und das mit einem Minimum an Energie: ein Mensch braucht gerade einmal 120 W an Energiezufuhr, um zu überleben. |
Technik - Information - Energie
In der Technik hat die Nutzung von "Information" gerade erst begonnen. Masse und Kraft sind nach wie vor Maß aller Dinge - der Status eines intelligenten technischen Systems liegt immer noch um Größenordnungen unter dem eines "mächtigen" Systems - man vergleiche die Wirkung eines Fahrrades gegenüber der eines Formel-1-Wagens! Technische Systeme müssen groß sein, um große Profite zu sichern. So funktioniert die schöne neue Energie-Welt der Industrieländer. Doch es gibt auch andere Kulturen und Glaubenssätze: mit Geschicklichkeit und Intelligenz die Kraft und Energie der Umgebung nutzen, nicht mit dem Kopf durch die Wand - sondern mit dem Kopf einen Weg um die Wand suchen!
Wenn die Menschheit langfristig existieren möchte, wird ihr nichts anderes übrigbleiben, als diesem 2. Weg zu folgen. Ziel darf dann nicht sein, schlichte Quantitäten zu erhöhen (mehr Kraft, mehr Geschwindigkeit, mehr Masse) - sondern die gewünschten Zustände (Schutz, Fortbewegung, Ernährung, Spaß) mit immer weniger Energie- und Materialaufwand sicher zustellen. Es ist eigentlich ein Zeichen massiver Dummheit, wenn wir 4-Rad-Geländewagen mit 35 l/100km für den Stadtverkehr bauen, obwohl sich die gleichen Strecken in gleicher Zeit mit einem 1 l/100 km Fahrzeug realisieren ließen.